Großes Kino in Erfurt. Nachdem das Musical „Titanic“ bereits am Broadway erfolgreich war, ist das Stück seit dem 02.12.23 in deutscher Fassung im Theater Erfurt zu sehen – und so gefragt, dass alle Vorstellungen bereits ausverkauft sind. Gestern (05.01.) stand dabei die erste Show in 2024 an. www.musicalpuls.com war vor Ort und erlebte ein beeindruckendes Werk.
Großes Orchester mit musikalischer Meisterleistung
Schon zu Beginn der Vorstellung, als der große eiserne Vorhang hochgeht, ist das Staunen groß: Das 30-köpfige (!) philarmonische Orchester Erfurts ist nicht im Graben (dieses wird bei vielen Szenen ideal genutzt, beispielsweise um die 3. Klasse authentisch widerzuspiegeln), sondern im hinteren Bühnenbereich stilvoll in Szene gesetzt – es wirkt so, als würde das Orchester live auf dem Luxusdampfer auftreten. Hier sind wir auch schon beim ersten Highlight des Musicals – die großartige Leistung des Orchesters mit den hervorragenden, vielseitigen Kompositionen des Stücks ist ein enormer Mehrwert.
Darsteller überzeugen ebenfalls
Allgemein ist „Titanic“ musikalisch exzellent – es gibt etliche starke Songs, die die jeweiligen Momente untermalen. Dabei machen die Darsteller durch die Bank weg einen großartigen Job. Absolute Highlights sind dabei das Duett von Kerstin Ibald und Martin Berger („Wie vor aller Zeit“) sowie William Baughs grandiose Solo-Nummer in der Rolle des Frederick Fleet im Ausguck.
SIE ragen heraus
Und auch schauspielerisch wird geliefert. Lukas Witzel bringt als Funker Harold Bride in dem ansonsten düsteren Stück die humorvolle Note hinein, während Katja Bildt als Alice Beane (2. Klasse Passagierin) mit ihrer herrlich überdrehten Figur begeistert. Auch ihr Schauspiel-Gatte Benjamin Eberling als Edgar Beane sticht hervor – ein exzellentes Schauspiel des erfahrenen Darstellers! In der beeindruckend großen Besetzung überragen zudem Daniel Eckert als Heizer Frederick Barett, Martin Sommerlatte als Kapitän E. J. Smith – und auch Helena Lenn (3. Klasse Passagierinnen Kate Murphy und Marian Thayer) begeistert mit ihrem Schauspiel und bei den Choreographien!
Bedrohliche Stimmung des Unglücks kommt stark rüber
Kommen wir zur Atmosphäre. Auch hier glänzt „Titanic“. Von Beginn an ist die nahende Katastrophe spürbar, das Setting ist großartig. Schon früh mahnt der Heizer Frederick, doch Schiffsbesitzer J. Bruce Ismay (gespielt von Ks. Mate Solyom-Nagi) macht dem Kapitän mächtig Druck – das Schiff soll innerhalb von sechs Tagen sein Ziel erreichen. Entgegen jeglicher Bedenken von seinen Kollegen und dann später auch immer wieder entgegen eingehender Warnungen anderer Schiffe, erhöht dieser die Geschwindigkeit des Luxusdampfers mehr und mehr – und steuert unausweichlich auf den Eisberg zu. Die schwere Bürde des Kapitäns Smith mimt Martin Sommerlatte wirklich hervorragend. Und auch Björn Christian Kuhn, der die tragische Rolle des 1. Offiziers William Murdoch erstklassig mimt, äußert immer wieder seine Zweifel – bis die Katastrophe dann nicht mehr abzuwenden ist.
„Titanic“ zeigt auch menschliche Abgründe
In der zweiten Hälfte dreht sich dann alles um die Stunden nach der Kollision mit dem Eisberg. Hier zeigt sich das Stück noch gesellschaftskritischer und taucht in die Abgründe der Menschen ein. Die Frage, ob der Kapitän bei den nicht ausreichenden Plätzen in den Rettungsbooten Gott spielen darf, oder auch gerade die Frage, wer Schuld am Untergang der Titanic ist, sind große Themen. Ganz stark ist dabei auch auch das Zusammenspiel von Martin Sommerlatte, Björn Christian Kuhn und Ks. Mate Solyom-Nagi – gerade die Rolle des Letzgenannten weist jegliche Schuld von sich… dabei kann man ihn jedoch getrost als den Bösewicht bezeichnen, ist er es doch, der fast schon fanatisch immer mehr fordert.
Finale mit Gänsehaut-Garantie
Das große Finale trumpft dann nochmal ganz groß auf. Gerade wenn die Angstschreie der Darsteller durch den Saal hallen, ist Gänsehaut garantiert. Zuvor ist dies auch bei den grandios in Szene gesetzten, dramatischen Szenen, als sich Frauen und Kinder auf die Boote begeben und somit viele Familien getrennt werden. Keine Frage, dem Musical gelingt es authentisch die tragische Geschichte der Titanic und ihrer Passagiere darzustellen – wenn auch beim Bühnenbild Abstriche gemacht werden müssen.
Bühnenbild könnte authentischer sein
Das gigantische Schiff ist verständlicherweise nicht leicht darzustellen – man konzentriert sich weitesgehend auf das Oberdeck. Der Schornstein des Luxusdampers ist hinter dem Orchester groß zu sehen und ragt hervor. Ansonsten sind es kleinere Elemente die immer wieder schnell aufgebaut werden. Das ist aber nur ein ganz kleiner Kritikpunkt in dem Musical-Meisterwerk, das sich sehr nah an den wahren Geschehnissen orientiert! Chapeu!